Guckloch auf das Leben der Verstorbenen

25.12.2019
Guckloch auf das Leben der Verstorbenen - Похоронный портал
Christian Sprang sammelt Todesanzeigen und schreibt Bücher darüber. Foto: red


Von Gregor Starosczyk-Gerlach 


MAINZ – Christian Sprang sammelt Todesanzeigen: nicht jede, nur die außergewöhnlichen. Zusammen mit dem befreundeten Autor Matthias Nöllke schrieb er seit 2009 drei Bücher über das Thema. Ihr Inhalt sind die Nachrufe selbst.

„Sie sind wie ein Guckloch, durch das wir auf das Leben der Verstorbenen schauen können. Als setzten wir die Brille der Angehörigen auf.“ Mit kurzen Kommentaren der Autoren versehen, sprechen die Anzeigen für sich.

Das von vielen Sammlern nur heimlich praktizierte Hobby habe er als Jugendlicher entdeckt, sagt der 57-Jährige. „Todesanzeigen haben mich schon immer interessiert.“ Sprang hat Jura und Musikwissenschaft studiert. Die zunächst einsam geübte Tätigkeit des Sammelns nahm während der Studienzeit an Fahrt auf. In der Studi-WG stießen die Mitbewohner dazu. Später übermittelten auch Freunde und Bekannte die gesammelten Annoncen. Als das Internet zum Thema für Massen wurde, richtete Sprang eine Webseite ein. Sie ist unter www.todesanzeigensammlung.de abrufbar.

Was anfangs eher philologisches Interesse gewesen sei, sagt er, habe in ihm über all die Jahre der Sammlertätigkeit eine ungeahnte Sensibilität wachsen lassen. Zusammen mit der Entdeckung, dass die Todesanzeigen kurioserweise nur vordergründig vom Tod und der Trauer berichten. „Dafür sagen sie sehr viel über das Leben und über das Dasein des Verstorbenen und seine Beziehungen zu anderen Menschen.“

Was in Anzeigen wie beispielsweise in jener: „Geschafft!! Ab heute ist im Himmel Damenwahl. Lore B.“, vielleicht komisch wirkt, muss nicht so gemeint sein. „In den Texten, die manchmal skurril wirken, kann durchaus ein ernster Hintergrund stecken.“ Sprang zitiert eine Rarität: „Er hat gekämpft und doch verloren. Horst L. Schädlingsbekämpfer.“ Die Verfasser machen sich sehr viele Gedanken darüber, wie und was sie sagen wollen. Manchmal gelingt dies perfekt. Wie in der „Sternstunde der Todesanzeigenkultur“: „Wie im Leben – Oma rief – Opa kam“. Oft rühren ihn die Anzeigen. „Wenn die Angehörigen es schaffen, mit Worten die innige Beziehung zum Verstorbenen auszudrücken.“ Heutzutage, meint er, spiegeln Todesanzeigen mitunter die Art der Selbstinszenierung wieder, die unsere Gesellschaf in den 2000er Jahren so prägt.

Für das erste Buch recherchierte er im Archiv des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Die zwei weiteren Folgen der Trilogie bauten auf dem Erfolg des ersten Bandes auf. Die Bücher, die alle griffige Titel haben („Aus die Maus“, „Wir sind unfassbar“ und „Ich mach mich vom Acker“), fehlen wohl in keinem Bestattungsinstitut, vermutet der Autor. Sie eignen sich für die Lektüre nicht am Stück, sondern immer wieder Kapitel für Kapitel. Ob ein weiteres Buch folgt, lässt Sprang offen. Über die Zusendungen freue er sich nach wie vor. „Alleine entdecke ich lediglich drei bis vier Anzeigen pro Jahr.“


                                                                                                    
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