Tote Ratten im Schaufenster. Der Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken wandelt sein Büro in der Schützenstraße zur Galerie.

04.07.2020
Tote Ratten im Schaufenster. Der Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken wandelt sein Büro in der Schützenstraße zur Galerie.


BBK-Vorsitzender Gerhard Schlötzer und die mumifizierten Ratten Foto: Barbara Herbst


BBK-Vorsitzender Gerhard Schlötzer und die mumifizierten Ratten Foto: Barbara Herbst


Wenn das Wort "niederschwellig" je als sinnvolle Beschreibung für ein kulturelles Angebot diente, dann in diesem Fall. Denn um Hans Doppels Werke mit dem Obertitel "Zeitreif" im Büro des BBK betrachten zu können, muss man nicht einmal eine Schwelle überschreiten, die viel beschworene "Schwellenangst" vor der - nicht nur bildenden - Kunst entfällt also ...

Das Coronavirus hat eine positive Nebenwirkung: Es beflügelt die Kreativität der Menschen, die sich mit Kultur im weitesten Sinn befassen (um das grässliche Wort "Kulturschaffende" zu vermeiden). Naturgemäß leiden auch bildende Künstler unter den Restriktionen, unter Beschränkungen für Besucher von Ausstellungsräumen und Vernissagen, Lästigem wie der Maskenpflicht usw. Dem zu begegnen, hat sich der Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken (BBK) etwas ausgedacht, sagt dessen Vorsitzender Gerhard Schlötzer - das gemeinsam mit dem Bamberger Kunstverein in der Schützenstraße 4 genutzte Büro aufzupeppen zur Galerie. Den Blick ins Innere ermöglicht die breite Schaufensterfront, den regen Publikumsverkehr garantiert das benachbarte Parkhaus.

Finanziert aus Eigenmitteln, von der Sparkassenstiftung und der Stadt Bamberg, sollen bis Januar 2022 Künstlerinnen und Künstler, alle natürlich Mitglieder des BBK, bis Januar 2022 jeweils sieben Wochen lang einige ihrer Werke im BBK-Büro zeigen können. Angekündigt sind Angelika Gigauri, Peter Schoppel, Gerhard Schlötzer, Gert Ressel, Katja Wunderling, Harald Burger, Walli Bauer und David Grimm. Den Anfang jedoch macht der vielseitige Haßfurter Künstler Hans Doppel mit seiner "Zeitreif"-Reihe. Obwohl die offizielle Eröffnung mit den Bürgermeistern Andreas Starke und Jonas Glüsenkamp erst für Freitag, 10. Juli, 19 Uhr, vor dem Büro angekündigt ist, hängen die Werke Doppels bereits jetzt und harren ihrer Bewunderer, die angetan oder irritiert oder amüsiert sein dürfen. Das ist der Sinn von Installationskunst.

Die letzte Ruhestätte

Blickfang sind zweifellos zwei mumifizierte Ratten, die auf weißen Kissen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, präsentiert vor korrodierten Baustahl-Platten. Memento mori könnte man sagen, es öffnen sich die viel erwähnten und fast schon zur Phrase geronnenen "Assoziationsräume". Zunächst einmal und ganz aktuell der Gedanke an Albert Camus' parabolischen Roman "Die Pest", der im Zuge der Pandemie ein ungeahntes Revival erfahren hat, denn bekanntlich beginnt das Buch mit einem großen Rattensterben in der heimgesuchten Stadt. Das jungfräulich anmutende Kissen könnte ein Tauf-, ein Braut- oder auch ein Sargkissen sein, so auch den Kreislauf des Lebens symbolisierend. Geburt und Tod, Vergänglichkeit, nagender Zahn der Zeit, den auch das gealterte Metall andeutet. "Wir können davon ausgehen, dass nichts, was in einer Installation zu sehen ist, ohne symbolischen Sinn dargeboten wird", meint dazu der Kunsthistoriker Matthias Liebel. Titel der Installation: "Und sie lechzen nach Liebe ...". Das öffnet eine weitere Bedeutungsebene ins Sprachliche hinein.

Verrostetes Blech wählte Doppel auch für die zwölfteilige Wandinstallation "Bewegung", die an der hinteren Wand des Büros hängt.

Mit dem Plasmaschneider bearbeitete der Künstler das Material, schnitt Löcher, Ausfransungen, schuf fragmentarische, an Schriftzeichen erinnernde Gebilde. In der Tat ergibt sich durch den Wechsel von hoch- und kleinformatigen Metallstücken, meist auf einer Grundlinie angeordnet, so etwas wie ein Schriftbild.

Genauer hinschauen muss man bei der achtteiligen Wandinstallation "Was steckt dahinter?". Ja, was, dürften sich viele Betrachter fragen. Und nicht alle dürften das Richtige vermuten: Hinter den mit leicht transparenten gelben Banderolen verhüllten mittelformatigen Bildern stecken Illustrationen eines Kreuzwegs. Symbolisch für in der Corona-Krise unsichtbare Kultur, bietet Gerhard Schlötzer eine Interpretation an.

Was so nicht mehr ganz stimmt, beweist die BBK-Initiative und werden die Redner am 10. Juli sicher thematisieren. Wenn auch mit gebührendem Abstand.

Artikel von: Rudolf Görtler

                                                              inFranken.de – Wikipedia
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